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Unter Fachleuten immer noch umstritten – Teilqualifikationen

Die Industrie sieht Teilqualifikationen positiv, ganz im Gegensatz zum Handwerk.

Berlin | Am 25. April fand ein nicht öffentliches Fachgespräch zum Thema Teilqualifikationen (TQ) statt. Teilqualifikationen werden ja in verschiedenen Modellversuchen seit langer Zeit in verschiedensten Zusammenhängen angeboten. Zurzeit könnten sie für Beschäftigte in Unternehmen, die sich „umqualifizieren“ müssen, für Geringqualifizierte, deren Arbeitsplatz gefährdet ist und für zugewanderte Menschen sinnvoll sein – das alles auch unter den Stichworten Fachkräftemangel und Digitalisierung.

Das Thema heißt „abschlussbezogene Qualifizierung“, Zielsetzung ist ein anerkannter Abschluss, der dann durch mehrere Module, eben Teilqualifikationen, erworben werden kann. Bei dem Gespräch, das mit verschiedenen Impulsen aus Modellversuchen und der Bundesagentur begann, waren etwa 70 Expertinnen und Experten aus Bundesagentur, Bildungsverband, BAG Arbeit, Qualinetz GmbH, Inbas GmbH, Paritätischem Gesamtverband und Bertelsmann-Stiftung, Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vertreten.
Die Industrie sieht TQ als positiv, um das Qualifikationsniveau der Beschäftigten zu erhöhen, ganz im Gegensatz zum Handwerk, das in seinem Impuls sehr stark auf die Wichtigkeit der vollständigen Ausbildungsberufe abhob. Diese Ausbildungsberufe seien Voraussetzung für die Berufstätigkeit im Handwerk mit seinem traditionellen Schwerpunkt Klein- und Kleinstbetriebe. Die Bundesagentur dagegen sieht Teilqualifikationen als eine positive Möglichkeit, um geringqualifizierte Kräfte zum Abschluss zu führen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden beziehungsweise zu bekämpfen.
Die größte Kritik am Konzept und seiner Implementierung kam von Seiten des DGB: So wie das Thema implementiert wird, sieht man hier die Institutionen von Staat und Sozialpartnern (Bundesinstitut für Berufsbildung BiBB), Hauptausschuss mit Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften, letztlich das BMBF) ausgehebelt, und zwar dadurch, dass Bundesagentur und Bertelsmann-Stiftung hier Fakten schaffen würden, die eigentlich nicht rechtlich-institutionell abgesichert seien.

In der Auswertungsrunde wurde deutlich, dass das Thema Transparenz der Teilqualifizierungsinhalte sowie eine zentrale Vorgabe von Modulen bezogen auf den Ausbildungsrahmenplan als positiv und notwendig angesehen wurde. Vorteile ergäben sich auf Seiten der Arbeitgeber, die Arbeitskräfte mit Befähigungen unterhalb der Vollausbildung suchen, und auch für Arbeitslose bzw. Arbeitnehmer, die so genauer ihren Berufs- und Lernweg planen könnten. Die Teilqualifizierung sollte also klar definierte Elemente der Vollausbildung abbilden und sich so von anderen Arten der Förderung beruflicher Weiterbildung (FBW) unterscheiden.

Teilqualifizierung bleibt ein spannendes Thema, angesichts von Fachkräftemangel, Digitalisierung und dem Erwerb von Abschlüssen in unserer „Zertifikatsgesellschaft“, die so großen Wert auf Zeugnisse und Bescheinigungen legt.
Walter Würfel / Hans-Björn Glock

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