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Praktikum könnte mindestlohnpflichtiges Arbeitsverhältnis sein

Bonn | Am 7. März fällte das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn ein möglicherweise richtungsweisendes Urteil über die Vergütungspflicht von Teilnehmern an einer Maßnahme nach § 45 SGB III. Demnach kann mit einem Teilnehmer an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung auch dann ein vergütungspflichtiges Arbeitsverhältnis zustande gekommen sein, wenn die Tätigkeit als „Praktikum“ deklariert wird.

Im vorliegenden Fall stritten sich die Parteien ums Arbeitsentgelt, der Kläger bestand auf dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, der Beklagte verneinte das. Das ArbG urteilte nun: wenn die ausgeübte Tätigkeit eine klassische Arbeitnehmertätigkeit ist, ist das volle Arbeitsentgelt fällig, auch wenn für die Tätigkeit (nachträglich) eine Maßnahme nach § 45 SGB III bewilligt wurde.
Zunächst ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Maßnahmeteilnehmer und dem beauftragten Träger der Maßnahme regelmäßig privatrechtlicher Natur. Ein privatrechtliches Rechtsverhältnis besonderer Art ohne Vergütungspflicht der Beklagten („Praktikum“) scheidet bereits aus, wenn es sich nicht um eine Beschäftigung vorrangig „zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit“ handelt. So lag es hier, der Kläger war LKW-Fahrer. Selbst wenn es aber ein zulässiges Praktikum sein sollte, ist es gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG vergütungspflichtig, da ein Ausnahmefall für die Vergütungspflicht nicht vorliegt.

Das Gericht argumentiert wie folgt: Bei Tätigkeiten während einer Maßnahme nach § 45 SGB III handelt sich bereits nach dem Wortlaut nicht um eine Einstiegsqualifizierung nach § 54 a SGB III entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 MiLoG. Der Gesetzgeber hat hier auch keine Regelungslücke hinterlassen, so dass die Ausnahme von der Vergütungspflicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 MiLoG auch für Teilnehmer an Maßnahmen nach § 45 SGB III gelten müsste. Anhaltspunkte hierfür finden sich weder in der Gesetzesbegründung, noch in der politischen Auseinandersetzung rund um den Mindestlohn und seine Ausnahmen. Der Gesetzgeber habe bewusst nur die enge Ausnahme für Maßnahmen nach § 54 a SGB III in § 22 Abs. 1 MiLoG aufgenommen, sonst hätte er „für alle Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung nach dem SGB III“ formuliert.

Gegen das Urteil wurde beim Landesarbeitsgericht Köln Berufung eingelegt (Az. 8 Sa 201/19).

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