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Gesamtprogramm Sprache des Bundes in Gefahr

Verbände protestieren gegen Kürzung von 185 Mio. Euro für das „Gesamtprogramm Sprache“

Der Bundesverband der Träger beruflicher Bildung e.V. protestiert gemeinsam mit DER PARITÄTISCHE GESAMTVERBAND, Deutscher Volkshochschulverband und dem VERBAND DEUTSCHER PRIVATSCHULVERBÄNDE e.V. gegen die Kürzung des Gesamtprogramms Sprache.

Das Jahr 2022 war und ist von einer Vielzahl von Krisen geprägt, die in bislang nicht bekannter Weise ineinandergreifen und höchste Anforderungen an Politik und Bevölkerung stellen. Da diese Krisen durchgreifender Natur sind, wird es insbesondere in der Politik darauf ankommen, trotz kurzfristiger Notlagen zumindest mittelfristig angelegte Zielsetzungen den aktuellen Entscheidun­gen zugrunde zu legen – das betrifft auch und insbesondere Entscheidungen zum Bundeshaus­halt 2023.

Bund und Kursträger haben in den Krisenjahren 2020-2022 im „Gesamtprogramm Sprache“ (GPS) des Bundes gezeigt, wie flexibel und leistungsfähig das Integrationssystem ist – ermöglicht wurde dies auch durch zusätzliche Unterstützung, wie das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG).

Das Jahr 2022 hat auch gezeigt, wie effektiv das Gesamtprogramm Sprache sein kann:

  • In niedrigschwelligen Erstorientierungskursen erlernen Neuankommende Grundlagen und erste Schritte im Aufnahmeland.
  • In diesem Jahr werden mehr als 300.000 Teilnehmende einen Integrationskurs (IK) begonnen haben – unter ihnen mehr als die Hälfte Geflüchtete aus der Ukraine.
  • Die darauf aufbauenden Berufssprachkurse (BSK) ermöglichen die nachhaltige Integration in den ersten Arbeitsmarkt.

All dies konnte – im Zusammenwirken von Bund und Trägern – nur gelingen, weil die Kursträger vor Ort in 2022 erneut in hohem Maße und bis zur Belastungsgrenze ihre Kapazitäten bzgl. Lehr­personal, Räumlichkeiten, Technik u. a. aufgestockt haben – bei gleichzeitig massiv gestiegenen Kosten.

In 2023 wird mit nochmals spürbar erhöhten Zuwanderungszahlen gerechnet werden müssen. Wir erwarten weitere Geflüchtete aus der Ukraine, eine steigende Zahl von Schutzsuchenden sowie weitere Kursteilnehmende durch die Zugangsmöglichkeiten des neuen Chancen-Aufenthaltsrechts (ChAR) und des novellierten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG). Mit einem weiteren An­stieg an Kursteilnehmer*innen rechnen die Träger zudem durch fortsetzende Familienzusammen­führungen. Auch zugewanderte Frauen sollen stärker als bisher bei der sprachlichen, arbeits­marktpolitischen und gesellschaftlichen Teilhabe mitwirken.

Es zeichnet sich somit eine Steigerung ab, wie sie zuletzt 2015/16 auf den Bund und die Träger der Integrations- und Berufssprachkurse zugekommen ist. Die bislang in den Bun­deshaushalt eingestellten Mittel basieren auf der bereits 2022 von der Realität weit übertrof­fenen Prognose von 180.000 Kursteilnehmenden. Bundesamt und Trägerverbände gehen jedoch von mindestens 300.000 neuen Teilnehmer*innen im Gesamtprogramm aus!

Gleichzeitig prognostizieren aktuelle Untersuchungen, z. B. vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), für die kommenden Jahre in Deutschland einen massiven Rückgang der Bevölkerung im er­werbsfähigen Alter, was neben dem Fachkräfte- auch zu einem Arbeitskräftemangel führen wird. Prognosen sagen aus, dass sogar ein Rückgang der Zahl der Erwerbsfähigen um 3 Mio. Men­schen bis 2035 nur mit einer kontinuierlichen jährlichen Nettozuwanderung von 320.000 er­reicht werden kann. Wie passt das alles zusammen, bleibt doch das erfolgreiche Erlernen der Sprache weiterhin die unbestrittene Grundlage jeder nachhaltig gelungenen Integration, um gesell­schaftliche und berufliche Teilhabechancen sicherzustellen!? Hierzu ist auch eine verstetigte Lern-und Sozialbegleitung zwingend notwendig.

Das Gesamtprogramm Sprache des Bundes wird – speziell mit Blick auf die beschriebenen gravie­renden Herausforderungen der folgenden Jahre – nur bestehen können, wenn Trägern und Perso­nal, in einem zunehmend schwieriger werdenden Arbeitsmarktumfeld, Perspektiven aufgezeigt werden können, die eine Verstetigung der gemeinsamen Aktivitäten auf hohem Niveau möglich machen. Das nicht nur gesellschaftspolitisch bedeutsame Gesamtprogramm Sprache muss in sei­nen Rahmenbedingungen gestärkt und attraktiver ausgestattet werden, um Kursträger und Perso­nal auch mittel- und langfristig in diesem wichtigen Aufgabenfeld zu halten.

Vor diesem Hintergrund und den Zusagen aus dem Koalitionsvertrag, die Bedingungen für Kursträger zu verbessern und die Mittel für Berufssprachkurse zu verstetigen, ist es den Verbänden der Träger dieser Maßnahmen unverständlich, dass die Haushaltsmittel für die sprachlichen Integrationsmaßnahmen des Bundes massiv sinken sollen:

im Einzelnen:

Haushalt BMIEinzelplan 06 (in Tsd. EUR)

  • 684-12: Integrationskurse: 591.477 (für 2023 geplant), 625.484 (für 2022),
  • 684-12: Sozialpädagogische Begleitung: 13.000 (für 2023 geplant), 25.000 (für 2022),
  • 684-14 darunter: Erstorientierungskurse für Asylsuchende 23.213 (2022: 22.012, faktisch aber durch Ergänzungshaushalt Ukraine und Umschichtungen des BAMF erhöht: 45.600).

Haushalt BMASEinzelplan 11 (in Tsd. EUR)

  • 684-04 Berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das BAMF 310.000 (2022: 450.000)

Insgesamt verringern sich die bislang angesetzten Haushaltsmittel in den o.g. Bereichen gegenüber den Planzahlen 2022 um insgesamt über rund 185 Millionen EUR. Das entspricht einem Rückgang von rund 16,5%!

Wir repräsentieren rund Dreiviertel der Träger im Gesamtprogramm Sprache des Bundes und bit­ten Sie eindringlich:

Setzen Sie sich für eine deutliche Erhöhung des Haushaltsansatzes ein, ohne innerhalb dieses Bereiches Mittel umzuschichten. Die Mittel müssen bedarfsgerecht sein und deutlich über die Planzahlen des Vorjahres hinausgehen.

Stellungnahme als PDF

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