Berlin | Die SPD kämpft seit 153 Jahren für den Aufstieg durch Bildung. Dabei stellen wir die Aufstiegsfrage nicht nur am Anfang des Lebens. Denn nach der Hochschule und der Erstausbildung hört das Leben nicht auf, das ganze Erwerbsleben liegt noch vor einem. Der Wandel der Arbeitswelt durch Digitalisierung, Demografie und der Veränderung von Beschäftigungsformen stellt uns dabei vor viele Herausforderungen, bietet aber gleichzeitig große Chancen.
Mit einer klugen Politik können aus dem wachsenden Bedarf an Fachkräften neue Aufstiegsmöglichkeiten für viele Beschäftigte werden. Dafür bedarf es einer Doppelstrategie: Zum einen wollen wir allen die Chance geben, so qualifiziert wie möglich zu arbeiten. Zum anderen wollen wir denjenigen, die unfreiwillig von Arbeit ausgeschlossen sind, neue Zugänge eröffnen. Dazu zählen vor allem Frauen, die nach der Familienphase wieder Fuß fassen wollen, aber auch Menschen mit Einwanderungsgeschichte, Menschen mit Behinderungen sowie Schul- und Ausbildungsabbrecher. Kurzum: Nur wenn wir Weiterbildung auch in der Phase des Erwerbslebens stärken, können wir Beschäftigungsfähigkeit erhalten und neue berufl iche Aufstiegsmöglichkeiten organisieren.
Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren viele präventiv wirkende Arbeitsmarktinstrumente ausgebaut, wie z.B. das Programm WeGebAU, das gezielt die Weiterbildung Geringqualifizierter und älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen fördert. Auch im in dieser Legislatur verabschiedeten Weiterbildungsstärkungsgesetz ist der Gedanke angelegt, Arbeitnehmer nicht erst dann zu qualifizieren, wenn sie bereits arbeitslos sind, beispielsweise durch die Einführung der Weiterbildungsprämie oder der verbesserten Weiterbildungsförderung in Kleinen und Mittleren Unternehmen.
Die Idee einer präventiven Arbeitsmarktpolitik werden wir in Zukunft noch fester im SGB II und SGB III verankern.
Hierfür wollen wir die Arbeitslosen- zu einer Arbeitsversicherung umbauen. Jede und jeder sollte die Möglichkeit haben, sich stetig weiterzuentwickeln und sich für den Arbeitsmarkt von morgen zu qualifizieren. Ziel ist es, die Voraussetzung für Lebenslanges Lernen zu schaffen, sodass auch im Laufe des Erwerbslebens eine echte Weiterentwicklung der Qualifikationen oder auch eine berufl iche Umorientierung möglich sind. Was macht beispielsweise ein 45-jähriger Hilfsarbeiter, der weiß, dass er immer der Erste sein wird, dem gekündigt wird? Ob in der Metallindustrie oder im Pflegeheim gilt: Wir brauchen gut qualifi zierte Fachkräfte, doch wir lassen viele Beschäftigte auf der Strecke allein. Deswegen brauchen wir als ersten Schritt eine unabhängige, transparente und verlässliche Bereitstellung von Informationen über Weiterbildungsangebote. Zugleich brauchen wir eine bessere Beratungsinfrastruktur, beispielsweise in Form einer Anlaufstelle, die die Informationen gebündelt zur Verfügung stellt.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erprobt derzeit sehr erfolgreich die Weiterbildungsberatungen. Wir wollen diesen Weg weiter gehen und die BA zu einer Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung weiterentwickeln. Sie soll als zentrale Anlaufstelle Informationen über Weiterbildungsangebote im Rahmen von Qualifizierungsnetzen dezentral gebündelt zur Verfügung stellen und zugleich Qualifizierungsbedarf in Regionen erkennen. Auf diese Weise kann sich jeder, der sich über seine berufliche Zukunft Gedanken macht, trägerüberunabhängig beraten lassen und erfährt so gleich noch von möglichen Förderoptionen.
Die Arbeitsversicherung lässt sich nicht in einem Rutsch einführen, sondern muss Schritt für Schritt umgesetzt werden. Neben der Weiterentwicklung der BA wollen wir als weitere Bausteine die Weiterbildungsförderung im Kontext des Beschäftigungstransfers ausbauen, die Rahmenfrist im SGB III von zwei auf drei Jahre verlängern, damit wieder mehr Beschäftigte erreicht werden und die zielgerichtete Nutzung von Weiterbildungsprämien insbesondere zur Stärkung der Weiterbildungsmotivation von Geringqualifizierten, jungen Erwachsenen und Alleinerziehenden flankierend zu lebensunterhaltssichernden Leistungen ausbauen. In der langfristigen Perspektive muss über einen Rechtsanspruch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für Arbeitslose auf berufl iche Weiterbildung und dessen konkrete Ausgestaltung diskutiert werden. Ein Schritt in diese Richtung könnte beispielsweise die Einführung eines Persönlichen Erwerbstätigenkontos sein wie Andrea Nahles es im Entwurf zum Weißbuch Arbeiten 4.0 vorgelegt hat. In diesem Konzept ist vorgesehen, junge Erwerbstätige im Sinne eines „Sozialerbes“ mit einem Startkapital auszustatten, das für Qualifizierung, Gründungsphase oder private Auszeiten genutzt werden kann.
Das Credo Gute Arbeit gilt für die SPD selbstverständlich auch mit Blick auf den Weiterbildungssektor. Wir werden uns deshalb für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Beschäftigten in der Aus- und Weiterbildung stark machen und uns für einen vorgegebenen Vergabemindestlohn einsetzen. Für die hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss der Weiterbildungsmindestlohn die unterste Haltelinie sein.
Katja Mast, MdB